Allogene Stammzelltransplantation

Illustration zweier Körper mit Pfeil von einer zur anderen Person zur Symbolisierung der allogenen Stammzelltransplantation.

Bei der allogenen Stammzelltransplantation stammen die gesunden Blutstammzellen von einem geeigneten Fremd- oder Familienspender.

Wirkmechanismus und Besonderheiten

Bei einer allogenen Stammzelltransplantation wird – wie bei einer autologen Stammzelltransplantation – das Prinzip angewendet, die Krebszellen zunächst durch eine Hochdosis-Chemotherapie zu zerstören und das blutbildende System danach mit gesunden Stammzellen neu zu starten. Ein großer Unterschied zur autologen Stammzelltransplantation: Es handelt sich bei Spender und Empfänger nicht um dieselbe Person. Eine allogene Stammzelltransplantation wird vorgenommen, wenn eine autologe Stammzelltransplantation nicht möglich ist.

Abbildung aus SZT Broschüre

Es muss daher ein geeigneter Spender gefunden werden, der in den wesentlichen Gewebemerkmalen mit denen des Empfängers übereinstimmt. Um einen solchen zu finden, werden deutschlandweit, auch weltweit, Knochenmarkspenderregister durchsucht.1

 

Nachdem die Zellen des Spenders übertragen wurden, bilden diese das Blut- und Immunsystem neu. Dabei greift das Immunsystem Krebszellen an, die potenziell die Hochdosis-Chemotherapie überlebt haben. Das Immunsystem erkennt also die Krebszellen als fremd. Diese Wirkung wird als „Graft-versus-Leukämie/Lymphom-Reaktion“ bezeichnet.1

Illustration eines Ausrufezeichens

Graft-versus-Leukämie/Lymphom-Reaktion

Die Graft-versus-Leukämie/Lymphom-Reaktion ist eine gewünschte Wirkung, die bei einer allogenen Stammzelltransplantation auftritt. Dabei greift das Immunsystem des Spenders die Krebszellen des Empfängers an.

 

Graft-versus-Host-Reaktion

Sie ist eine unerwünschte Nebenwirkung, die im Zuge einer allogenen Stammzelltransplantation auftreten kann. Dabei greift das fremde Immunsystem des Spenders die normalen körpereigenen Zellen des Empfängers an. Die Graf-versus-Host-Reaktion kann tödlich verlaufen.

Der Ablauf der allogenen Stammzelltransplantation1-4

Illustration des Ablaufs der allogenen Stammzellspende mit Spendersuche und Sammlung von Stammzellen, Konditionierung, des Patienten, Transplantation der Stammzellen und Nachsorge
Illustration eines Manns hinter einer Lupe

1. Spendersuche

 

Bei der allogenen Stammzelltransplantation kommen die Stammzellen wie bereits erwähnt von einem Familien- oder fremden Spender.

Dieser muss in den wesentlichen Gewebemerkmalen (HLA-Merkmalen) mit dem Patienten übereinstimmen. Diese Merkmale kommen auf der Oberfläche fast aller Körperzellen vor und helfen dem Immunsystem, eigenes von fremdem Gewebe zu unterscheiden.

Durch die größtmögliche Übereinstimmung wird das Risiko einer Abstoßung sowie einer Graft-versus-Host-Reaktion so gering wie möglich gehalten.

Illustration eines Stammzellspenders, dessen Blut einschließlich Stammzellen entnommen wird und ohne Stammzellen wieder zurückgeführt wird.

2. Sammlung von Stammzellen

 

Von einem Familien- oder Fremdspender mit passenden Gewebemerkmalen werden Stammzellen gesammelt. Der Spender spritzt sich dazu zweimal täglich für vier bis fünf Tage bestimmte Medikamente, die die Anreicherung von Stammzellen anregen.

Bei einer sogenannten Apherese wird dem Spender Blut entnommen und die Stammzellen herausgefiltert. Die nicht für die Transplantation benötigten Blutzellen erhält der Spender per Infusion wieder zurück.

Alternativ kann man die Stammzellen durch eine Operation direkt aus dem Knochenmark gewinnen und dann genauso wie die Blutstammzellen transplantieren.

Illustration eines Patienten, der eine Infusion mit der Aufschrift

3. Konditionierung

 

Vor dem geplanten Transplantationstermin erfolgt eine stationäre Aufnahme.

Wurde eine ausreichende Menge an Stammzellen gesammelt, erhält der Patient eine Chemotherapie, eventuell in Kombination mit einer Ganzkörperbestrahlung. Dadurch wird das Immunsystem und die Blutbildung weitgehend unterdrückt, um eine Transplantatabstoßung zu verhindern und im Idealfall auch die Krebszellen restlos aus dem Körper zu beseitigen. Zusätzlich dient die Konditionierung dazu, „Platz“ zu schaffen für die transplantierten Spenderstammzellen.

Zusätzlich müssen Medikamente eingenommen werden, die das Immunsystem unterdrücken (Immunsuppression). Das soll verhindern, dass sich die fremden Stammzellen des Spenders und das Immunsystem des Patienten gegenseitig bekämpfen.

Illustration eines Patienten, der eine Infusion mit Stammzellen erhält

4. Transplantation

 

Nach der Konditionierung erhält der Patient die Stammzellen des Spenders mittels einer Infusion.

Das Ziel ist es, dass sich aus diesen Stammzellen wieder ein gesundes Blutsystem mit funktionsfähigen Immunzellen entwickeln kann.

Zusätzlich greift das sich neu bildende Immunsystem die Krebszellen an, die potenziell die Chemotherapie überlebt haben (Graft-versus-Leukämie/Lymphom-Reaktion).

Illustration eines Patienten und einer Ärztin versetzt dahinter

5. Nachsorge

 

Aufgrund von beträchtlichen Nebenwirkungen und Langzeitfolgen allogenen Stammzelltransplantation ist eine umfassende Langzeitnachsorge erforderlich. Eine enge Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten ist deshalb sehr wichtig.

Risiken

Illustration eines Ausrufezeichens

Im Folgenden werden mögliche Nebenwirkungen der allogenen Stammzelltransplantation beschrieben.
Bei einer allogenen Stammzelltransplantation besteht das Risiko, dass der Körper das fremde Immunsystem abstößt. Außerdem ist die Infektionsgefahr nach einer allogenen Stammzelltransplantation stark erhöht. Daher erfolgt die Behandlung oft in einem Einzelzimmer mit einer Isolierung, um eine mögliche Einschleppung von Krankheitserregern zu minimieren.

Graft-versus-Host-Reaktion

Eine weitere mögliche Nebenwirkung einer allogenen Stammzelltransplantation ist die sogenannte „Graft-versus-Host-Reaktion“, auf Deutsch „Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankung“. Dabei greift das fremde Immunsystem die körpereigenen normalen Zellen an.1 Es werden zwei Arten unterschieden:2

 

  • Die akute Graft-versus-Host-Reaktion tritt innerhalb der ersten Wochen bei 30–60 % der Fälle auf. Sie führt insbesondere zur Schädigung von Darm, Haut und Leber.6
  • Die chronische Graft-versus-Host-Reaktion tritt bei circa 50 % der Patienten, meist 2–18 Monate nach einer allogenen Stammzelltransplantation, auf. Am häufigsten sind Haut, Schleimhäute, Darm, Leber, Faszien und/oder Lunge betroffen. Die chronische Graft-versus-Host-Reaktion ist für ca. 25 % der Todesfälle nach allogener Stammzelltransplantation verantwortlich.7

 

Hierbei handelt es sich um eine Auswahl der wichtigsten/häufigsten Nebenwirkungen, prinzipiell können auch noch weitere auftreten.

 

Aufgrund der beträchtlichen Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der allogenen Stammzelltransplantation ist eine umfassende Langzeitnachsorge erforderlich, die durch eine enge Kooperation zwischen Hausarzt, niedergelassenen Fachärzten, Patient und Transplantationszentrum gewährleistet wird.6

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Immunchemotherapie

Welche Immunchemotherapien gibt es? Hier erfahren Sie mehr zu den Optionen und chemotherapeutischen Strategien bei Lymphom- und Leukämieerkrankungen.

CAR-T-Zelltherapie

Die CAR-T-Zelltherapie ist eine Therapieoption mit einem innovativen Wirkansatz. Hier erfahren Sie mehr zur Wirkweise und zum Ablauf der Therapie.

Stammzelltransplantation

Eine der Therapieoptionen bei Lymphomen und Leukämien ist die Stammzelltransplantation, bei der zwischen autologer und allogener Form unterschieden wird. Hier finden Sie eine Gegenüberstellung beider Verfahren.

Strahlentherapie

Eine sehr häufige Form der Krebstherapie ist die Bestrahlung. Sie kommt auch bei Lymphomen und Leukämien zum Einsatz. Hier können Sie mehr zur Strahlentherapie lesen.

Zielgerichtete Therapien

Einige Behandlungsmöglichkeiten können das Wachstum der Krebszellen gezielt hemmen, auch bei manchen Lymphomen und Leukämien. Hier erfahren Sie mehr.

Broschüre CAR-T und Stammzelltransplantation

Anschauliche Broschüre zum Ablauf und Unterschieden zwischen der CAR-T-Zelltherapie und den verschiedenen Arten der Stammzelltransplantation.

Bitte beachten Sie, dass die auf dieser Website aufgelisteten Therapieoptionen ausschließlich Ihren Informationszwecken dienen und keinen Anspruch auf fachliche Vollständigkeit bieten.

 

Diese Informationen stellen daher keinen Ersatz für eine individuelle Beratungs- oder Behandlungsleistung, Empfehlung oder medizinische Diagnose durch einen Arzt dar und dienen keinesfalls der Selbstdiagnose.

Abkürzungen
HLA: humanes Leukozyten-Antigen

Quellen

  1. 1. Kompetenznetz Maligne Lymphome e.V.: „Diffus großzelliges B-Zell-Lymphom. Information für Patienten“. 3. Auflage 2021: Online verfügbar unter: https://lymphome.de/fileadmin/Media/service/mediathek/lymphomerkrankungen/WEB_DLBCL_Neuauflage_221221.pdf (abgerufen am 14.12.2023).
  2. 2. Stammzelltransplantationszentrum Heidelberg, Medizinische Klinik V: „Allogene Stammzelltransplantation“. Online verfügbar unter: https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/medizinische_klinik/Abteilung_5/docs/patinfo/181211MED_BR_SYB_stammzellen_176_5225_ID5475.pdf (abgerufen am 14.12.2023).
  3. 3. https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/kliniken-institute/kliniken/zentrum-fuer-innere-medizin-krehl-klinik/innere-medizin-v-haematologieonkologie-und-rheumatologie/behandlungsspektrum/haematologie/ambulante-autologe-stammzelltransplantation
  4. 4. Universitätsklinikum Regensburg: „Allogene Stammzelltransplantation“; Stand Juli 2021.
  5. 5. Hilgendorf I et al. Dtsch Arztebl Int 2015;112:51–8.
  6. 6. Onkopedia Leitlinie „Graft-versus-Host Erkrankung, akut“. Stand: Januar 2020.
  7. 7. Onkopedia Leitlinie „Graft-versus-Host Erkrankung, chronisch“. Stand: März 2019.