Das Mantelzell-Lymphom (MCL) gehört zu den Non-Hodgkin-Lymphomen. Es entsteht aus B-Zellen, die sich ungebremst vermehren. Diese Zellen häufen sich zunächst an ihrem Entstehungsort an, beispielsweise in der Milz oder den Lymphknoten, und das betroffene Organ schwillt dadurch an. Im weiteren Verlauf der Erkrankung breiten sich die Krebszellen oft über den ganzen Körper aus und sind auch in anderen Organen wie dem Knochenmark oder dem Magen-Darm-Trakt zu finden.1-3
Die Vermehrung gesunder B-Zellen findet in den sogenannten Lymphfollikeln statt. Das sind kleine Anhäufungen von B-Zellen, die insbesondere in den Lymphknoten oder der Milz zu finden sind. Die Krebszellen beim Mantelzell-Lymphom sehen ähnlich aus wie die gesunden B-Zellen aus dem Randbereich – der Mantelzone – von Lymphfollikeln. Es wird deshalb vermutet, dass die Krebszellen aus fehlentwickelten B-Zellen der Mantelzone hervorgehen. Aus diesem Grund wird die Erkrankung als Mantelzell-Lymphom bezeichnet.2
Das Mantelzell-Lymphom macht ungefähr 5–7 % aller Lymphome aus und gehört damit zu den seltenen Krebserkrankungen. In Europa erkranken jährlich 1 bis 2 von 100.000 Menschen an einem Mantelzell-Lymphom. In Deutschland sind das etwa 1.000 Menschen pro Jahr.2 Dabei sind – aus bisher nicht bekannten Gründen – Männer viermal häufiger betroffen als Frauen.1,2
Meist erkranken die Betroffenen erst im höheren Lebensalter: Das Durchschnittsalter für eine Neuerkrankung liegt bei 65 Jahren. Allerdings können auch Jüngere von einem Mantelzell-Lymphom betroffen sein.
Bis heute ist nicht genau verstanden, wie und warum ein Mantelzell-Lymphom entsteht. Jedoch ist bei 85 % der Patienten eine bestimmte Veränderung im Erbgut zu finden: eine sogenannte Chromosomentranslokation.2
Beim Mantelzell-Lymphom bricht sowohl bei einem Chromosom mit der Nummer 11 als auch bei Chromosom 14 ein Stück ab und fügt sich beim jeweils anderen Chromosom wieder an – man spricht von einer Translokation. Dadurch kommt es in den betroffenen B-Zellen zu einer starken Produktion eines Eiweißes, dem Cyclin D1, und die Zelle fängt an, sich unkontrolliert zu vermehren.1,2
Chromosomen sind Strukturen in menschlichen Zellen, die die Erbinformation speichern. Sie bestehen aus DNA und enthalten Gene, über die bestimmte Eigenschaften vererbt werden. Gesunde menschliche Zellen enthalten normalerweise insgesamt 46 Chromosomen. Dabei kommt jedes Chromosom doppelt vor. Die menschlichen Chromosomen werden von 1 bis 23 durchnummeriert.2
Wenn der Verdacht aufkommt, dass ein Patient an einem Mantelzell-Lymphom erkrankt ist, kann der Arzt testen, ob eine Translokation zwischen Chromosom 11 und 14 stattgefunden hat oder ob verstärkt Cyclin D1 gebildet wird. Dies ist wichtig, um ein Mantelzell-Lymphom von anderen Lymphom-Erkrankungen zu unterscheiden.1,2
Neben der Translokation scheinen auch noch andere Veränderungen im Erbgut an der Entstehung eines Mantelzell-Lymphoms beteiligt zu sein. Wie diese genau aussehen und wodurch sie ausgelöst werden, ist allerdings noch nicht bekannt.2
Wie bei anderen Lymphomen gibt es auch beim Mantelzell-Lymphom keine typischen Symptome, mit denen die Erkrankung eindeutig erkannt werden könnte.2 Häufig kommt es durch die Ansammlung von Tumorzellen zu einer Schwellung von Lymphknoten oder der Milz.1 Dies verursacht jedoch keine Schmerzen und wird deshalb oft erst spät entdeckt.
Wenn sich die Krebszellen in das Knochenmark ausbreiten, kann es zu einer Störung der Blutbildung kommen.2
Dies führt zu:
Bei Ausbreitung in den Magen-Darm-Trakt oder in das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) kann es zu zusätzlichen Beschwerden kommen.
Etwa die Hälfte der Betroffenen entwickelt sogenannte B-Symptome:
Wenn der Verdacht auf ein Mantelzell-Lymphom besteht, führt der Arzt eine gründliche körperliche Untersuchung durch und nutzt auch bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder Röntgen, um geschwollene Lymphknoten oder Veränderungen an anderen Organen wie der Milz oder der Leber zu finden. Zusätzlich werden das Blut und einzelne vergrößerte Lymphknoten genauer untersucht.2
Damit kann der Arzt nicht nur eindeutig das Mantelzell-Lymphom (MCL) erkennen, sondern auch bewerten, wie weit sich die Erkrankung schon im Körper ausgebreitet hat.2
Die Einteilung in Stadien und die Ermittlung von Risikofaktoren ist beim Mantelzell-Lymphom sehr wichtig, denn diese beeinflussen den Krankheitsverlauf und bestimmen, von welcher Therapie ein Patient am besten profitieren kann.
Mit der Ann-Arbor-Klassifikation wird das MCL in verschiedene Stadien eingeteilt, die beschreiben, wo im Körper Krebszellen zu finden sind:1,2
Stadium I: Befall einer einzigen Lymphknotenregion
Stadium II: Befall mehrerer Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells
Stadium III: Befall von Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells
Stadium IV: Diffuser Organbefall, zum Beispiel von Knochenmark und/oder Leber
Neben dem Krankheitsstadium beeinflussen weitere Faktoren den Krankheitsverlauf. Dazu gehört die Wachstumsgeschwindigkeit des Tumors, die mithilfe des Prognosemarkers Ki-67 bestimmt wird. Er gibt an, wie viele Zellen sich zurzeit in einer Wachstumsphase befinden. Je höher der Wert für Ki-67 ausfällt, desto schneller vermehren sich die Krebszellen.2
Zusätzlich wird der Prognose-Index MIPI (= Mantelzell-Lymphom Internationaler Prognostischer Index) berechnet. Dieser zeigt, zu welcher Risikogruppe ein Patient gehört. Dabei wird zwischen niedrigem, intermediärem (mittlerem) und hohem Risiko unterschieden.2
Die folgenden Risikofaktoren werden bei der Ermittlung des Prognose-Index berücksichtigt:
Die Behandlung des Mantelzell-Lymphoms sollte immer durch erfahrene Fachärzte für Hämatologie und Onkologie erfolgen. Welche Therapie für den einzelnen Patienten gewählt wird, hängt vom Alter des Betroffenen ab sowie vom körperlichen Allgemeinzustand und vom Stadium, in dem sich die Erkrankung bei Beginn der Therapie befindet.
Bei 10–15 % der Patienten wird die Erkrankung bereits in einem sehr frühen Stadium erkannt und schreitet zusätzlich nur langsam voran. Dann kann der Arzt entscheiden, erst einmal abzuwarten. Dies wird als Watch & Wait-Strategie (Englisch für beobachten und abwarten) bezeichnet.1 Erst wenn das Mantelzell-Lymphom sich weiter ausbreitet, wird mit der Behandlung begonnen.2
Die Grundlage der meisten Behandlungsansätze ist eine Immunchemotherapie.2 Darüber hinaus kommt bei einigen Patienten eine Bestrahlung infrage, eine Stammzelltransplantation oder – insbesondere nach einem Rückfall – weitere zielgerichtete Therapien.
Auch die Teilnahme an Studien mit neuen Medikamenten, die dem aktuellsten Wissensstand entsprechen, kann eine Option sein.
Das Ziel der Behandlung ist grundsätzlich, die Erkrankung so lange wie möglich zurückzudrängen.2
Die Behandlung beim Mantelzell-Lymphom hängt davon ab, wie weit sich die Erkrankung bei der Diagnose bereits ausgebreitet hat.
Patienten im Stadium I und II, bei denen noch wenige Krebszellen vorhanden sind, werden bevorzugt mit einer verkürzten Variante einer Immunchemotherapie in Kombination mit einer Strahlentherapie behandelt.1
Bei den meisten Patienten wird das Mantelzell-Lymphom erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt und schreitet schnell voran.2 Dann ist es wichtig, schnell mit einer möglichst intensiven Therapie zu beginnen.
Im fortgeschrittenen Stadium werden die Patienten mit einer Immunchemotherapie behandelt. Je nach Alter und körperlichem Allgemeinzustand des Patienten kann der Arzt dabei auf verschiedene Arzneimittel oder Kombinationen von Arzneimitteln zurückgreifen. Für jüngere Patienten, denen es körperlich gut genug geht, kann auch die Chemotherapie in besonders hoher Dosierung mit anschließender autologer Stammzelltransplantation (autolog bedeutet die Übertragung von körpereigenen Zellen oder Geweben) empfohlen werden. Auf diese Weise können besonders viele Krebszellen zerstört werden.1,2 Außerdem steht im fortgeschrittenen Stadium eine CAR-T-Zelltherapie als innovative Therapieoption zur Verfügung.1,4,5
Auch nach einem Rückfall können Patienten mit einer Immunchemotherapie behandelt werden. Die Wahl des Therapieschemas hängt dabei davon ab, welche Medikamente der Betroffene in der Erstlinientherapie erhalten hat. Zwischen dem Rückfall und der ersten Therapie sollten mindestens 2 Jahre liegen.1
Jüngere und körperlich fitte Patienten können mit einer Hochdosistherapie (sehr hoch dosierte Chemotherapie mit ggf. zusätzlicher Bestrahlung) und autologer Stammzelltransplantation behandelt werden, wenn sie diese noch nicht als Erstlinientherapie erhalten haben. Bei der autologen Stammzelltransplantation kommen die Spenderzellen vom Patienten selbst.
Für jüngere und körperlich fitte Patienten, die bereits mit einer autologen Stammzelltransplantation behandelt wurden, kann eine allogene Stammzelltransplantation infrage kommen.1,2 Bei der allogenen Stammzelltransplantation kommen die Stammzellen von einer geeigneten anderen Person.
Patienten, bei denen das Mantelzell-Lymphom bereits sehr weit fortgeschritten oder für die keine weitere Immunchemotherapie möglich ist, können mit Arzneimitteln behandelt werden, die gezielt das Wachstum oder die Vermehrung der Krebszellen hemmen (zielgerichtete Therapien).
Die CAR-T-Zelltherapie ist eine innovative Therapieoption, bei der gentechnisch veränderte Immunzellen des Patienten zum Einsatz kommen.7,8 Dadurch erhalten die T-Zellen den sogenannten chimären Antigenrezeptor (CAR) auf ihrer Oberfläche und können damit Krebszellen als Bedrohung für den Körper identifizieren und töten.
Alle Patienten mit Mantelzell-Lymphom werden nach der Therapie engmaschig betreut. In den ersten zwei Jahren nach der Therapie erfolgen die Nachsorgeuntersuchungen alle drei Monate. Anschließend kann der Abstand zwischen den Untersuchungen auf sechs bis zwölf Monate verlängert werden.2
Die enge Betreuung der Patienten soll dabei helfen, Rückfälle möglichst schnell zu erkennen und zu behandeln. Außerdem können so auch Langzeitfolgen der Therapie wie beispielsweise Herzerkrankungen oder erneute bösartige Erkrankungen erkannt werden.2
Die Nachsorgeuntersuchungen setzen sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen:1,2
Anamnese und körperliche Untersuchung: Der Arzt befragt den Patienten zu seiner Krankheitsgeschichte und führt eine gründliche körperliche Untersuchung durch.
Blutentnahme: Der Arzt untersucht die Zusammensetzung des Blutes und kann die Anzahl der verschiedenen im Blut vorhandenen Zellen bestimmen.
Laboruntersuchungen
Je nach Situation weitere Untersuchungen wie z. B. bildgebende Verfahren (Ultraschall und Röntgen)
Bitte beachten Sie, dass die auf dieser Website aufgelisteten Therapieoptionen ausschließlich Ihren Informationszwecken dienen und keinen Anspruch auf fachliche Vollständigkeit bieten.
Diese Informationen stellen daher keinen Ersatz für eine individuelle Beratungs- oder Behandlungsleistung, Empfehlung oder medizinische Diagnose durch einen Arzt dar und dienen keinesfalls der Selbstdiagnose.
Abkürzungen
CAR: Chimeric Antigen Receptor
CT: Chemotherapie
MCL: Mantelzell-Lymphom
Quellen